Von August 2014 bis Januar 2015 habe ich für das Bieler Tagblatt fotografiert. Dabei wurde ich zwar nicht reich an Geld aber umso mehr an Erfahrungen. Hier sind sechs Highlights aus sechs Monaten:
AUFREGEND: VEREIDIGUNG NATIONALRAT HEINZ SIEGENTHALER
Am 24. November 2014 wird Heinz Siegenthaler (BDP) als Nachfolger von Ursula Haller zum Nationalrat vereidigt. Zusammen mit einer Journalistin mache ich mich auf den Weg nach Bern. Ich war noch selten so nervös vor einem Fotoauftrag. Gefordert ist eine Reportage mit mehreren Bildern plus das Frontbild von Siegenthaler im Moment, in dem er die Hand zum Eid erhebt. Was, wenn ich den kurzen Moment verpasse? Was, wenn ich in der entscheidenden Sekunde den Fokus nicht am richtigen Ort setze oder wenn mir ein anderer Fotograf vor die Linse läuft? Oder noch schlimmer: Was, wenn ich vor den Augen aller Parlamentarier stolpere? Es tröstet mich, als ich merke, dass auch Heinz Siegenthaler selbst angespannt ist.
Die Sorgen waren umsonst. Alles klappt bestens. Und der Tag ist ein Highlight in meiner Praktikantenkarriere. Apéro im Bellevue, fotografieren im Bundeshaus: Einen solchen Auftrag kriegt man nicht jeden Tag.
KREATIV: ATELIER DE GRAVURE IN MOUTIER
Als ich den Fototermin im Auftragstool sehe, freue ich mich gleich doppelt. Erstens fahre ich inzwischen gerne Auto und Moutier bedeutet eine etwas längere Fahrt durch den Jura. Und zweitens geht es um eine Reportage über das Atelier de Gravure, welches mit dem Kulturpreis des Kantons Bern ausgezeichnet wird.
Normalerweise versuche ich möglichst unvoreingenommen an einen Auftrag heranzugehen. So verhindere ich, dass ich plötzlich vor einer Situation stehe, die so gar nicht meinen Vorstellungen entspricht und mich deshalb blockiert. Doch manchmal entstehen vor dem inneren Auge trotzdem schon Bilder. Beim Atelier de Gravure sehe ich bereits die alten, schweren Druckmaschinen und rieche die Farbtöpfe.
Ich werde nicht enttäuscht. Das Atelier ist so schön, wie ich es mir ausgemalt habe. Als Fotograf kann man an einem solchen Ort eigentlich nichts falsch machen.
ACTION: ASBESTALARM IN DER FINANZDIREKTION DER STADT BIEL
Am Nachmittag des 4. September 2014 erreicht die Meldung über einen Asbestalarm in der Bieler Finanzdirektion die Redaktion des Bieler Tagblatts. «Endlich mal Action», denke ich mir, und schultere sofort meine Ausrüstung. Fünf Minuten später stelle ich mein Velo vor dem betroffenen Gebäude ab. Ein Herr von der SIP (Sicherheit-Intervention-Prävention) hält mich aus Sicherheitsgründen am Eingang zurück. Erst nach einem Anruf bei der Finanzdirektorin Silvia Steidle darf ich das Gebäude betreten. Die Mitarbeiter wurden bereits evakuiert und so finde ich das Treppenhaus und die Büros verlassen vor. Einzig im obersten Stock halten Frau Steidle und ihre Assistentin in einer sicheren Zone die Stellung. Wir warten auf die Spezialisten, die Messungen durchführen werden, um zu bestimmen wie kontaminiert die Luft im Gebäude wirklich ist. Als die vier Männer eintreffen, wähne ich mich in einem Ebola-Gebiet. Alle tragen einen weissen Ganzkörperschutzanzug und eine Schutzmaske. Obwohl ich selber nur einen einfachen Mundschutz trage, wage ich mich aus der sicheren Zone und hefte mich den weissen Männchen an die Fersen. Sie gehen mehrmals die Treppen rauf und runter und installieren auf jeder Etage Messgeräte. Dann ist der Spuk für heute auch schon wieder vorbei.
Zwei Tage später gibt es Entwarnung. Die bei Renovationsarbeiten entdeckten asbesthaltigen Leime waren grösstenteils unbeschädigt. Es sind deshalb keine Asbestfasern in die Luft gelangt.
BAUSTELLE: TISSOT ARENA BIEL
Ich liebe Baustellen. Wo immer möglich klettere ich auf Baugerüste, geniesse die Aussicht und versuche mir vorzustellen, wie die fertigen Räumlichkeiten dereinst aussehen werden. Baustellenbegehungen gehören deshalb zu meinen Lieblingsaufträgen als Fotojournalistin. Eine Baustelle, die in der Region momentan besonders interessiert, ist jene der Tissot Arena. Die Baustelle ist riesig. Schliesslich entstehen an dieser Stelle nicht nur die neuen Stadien des EHC und FC Biel sondern auch eine Curlinghalle, ein Ausseneisfeld und mehrere Fussballtrainingsplätze.
VORBILD: HANS BRECHBÜHL
«Grosse Sachen mag ich körperlich nicht mehr machen», sagt Hans Brechbühl. Das hindert den 98-jährigen jedoch nicht daran, immer noch jeden Tag das Feuer in seiner Schmiede zu schüren und die heissen Eisen auf dem Amboss zu bearbeiten. Brechbühl muss man einfach ins Herz schliessen. Er strahlt so viel Zufriedenheit aus, dass es ansteckend ist. Seine vor Schalk blitzenden Augen und das spitzbübische Lachen lassen ihn dabei jünger aussehen als er ist.
EVENTS: ARBEITEN WO ANDERE DIE FREIZEIT VERBRINGEN
Natürlich gehören auch Events zum Aufgabengebiet eines Fotojournalisten. Sportanlässe, Konzerte, Strassenfeste. Wenn ich bei schönstem Sonnenschein am Rand eines Fussballfelds sitze oder bei einem Konzert in der vordersten Reihe stehe, kann ich mir keinen schöneren Job vorstellen. Aber natürlich kostet auch hier alles seinen Preis. Denn oft finden diese Events an Wochenenden oder am Abend statt. Während die Zuschauer das Spiel oder Konzert bis zum Ende mitverfolgen können und in Feierabendlaune sind, muss man sich als Fotograf auf die Arbeit konzentrieren und meist auch frühzeitig das Feld wieder räumen, weil entweder der nächste Auftrag wartet oder die Bilder noch vor Redaktionsschluss abgegeben werden müssen. So kommt es öfters vor, dass ich das Endresultat eines Matchs erst am nächsten Tag aus der Zeitung erfahre.
Ungemütlich wird es im Winter. Wenn die Kamera wie ein riesiger Eisblock in meinen Händen liegt, frage ich mich, wer eigentlich auf die Idee gekommen ist, Fussball auch im Winter zu spielen? Bei Eishockeyspielen ist die Gefahr der Unterkühlung weniger hoch. Denn da bleibt auch der Fotograf in Bewegung, um den heranfliegenden Pucks oder den Ellbogen und Stöcken der Spieler, wenn sie wieder einmal in die Banden krachen, auszuweichen.
Link: Portraits machen den grössten Teil der Bilder in Zeitungen aus. Hier mein Portfolio an Presseportraits.
< A new day…Shipyard – ein Fall für die Suva >
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