Am Tag vor den Wahlen kurve ich mit Amran per Motorrad und CNG durch die Stadt. Wegen des Streiks und der Blockade ist der Verkehr gering und die vielen Wahlplakate deuten auf den morgigen Event hin. Doch sonst scheint der normale Alltag intakt.
Eine Frau kauert am Trottoirrand, neben ihr ein Bündel mit ihren Habseligkeiten. Ein Junge steht barfuss auf der Kreuzung, das zu grosse Hemd reicht ihm bis zu den Knien. Ein paar Männer halten auf dem Markt einen Schwatz. Eine Frau kocht für die Rickshawfahrer. Jugendliche durchwühlen die Mühldeponie. Jemand schläft in Tücher eingewickelt am Strassenrand. Ein CNG-Fahrer wartet mit offenem «Hosenladen» auf Kundschaft. Ein Mann erledigt sein persönliches Geschäft abgewandt von den Passanten an einer Mauer. In den zu Zelten aufgehängten Blachen am Strassenrand leben Menschen. Und auf den Strassen überall Rickshawfahrer.
Während ich an all diesen Menschen vorbeibrause, frage ich mich was sie vom morgigen Tag erwarten. Den meisten von ihnen dürfte er egal sein. Für sie wird sich nichts ändern. Denn das Volk scheint den führenden Politikern des Landes egal zu sein. Mit ihrer sturen und zu keinerlei Kompromissen bereiter Einstellung nehmen sie in Kauf, dass die Menschen Gewalt ausgesetzt sind und gleichzeitig noch weiter in die Armut abrutschen, weil es wegen der ständigen Blockaden und Streiks kaum noch Arbeit gibt.
Ich kann daher nur verwundert den Kopf schütteln, als ich in einem Buch über Sheikh Hasina’s Philosophie Zitate lese wie: «Politics should be above personal interest. It is not important matter what the country gave us but the important matter is what we could give the nation and its people as politicians.» oder «Those who forget everything and consider state power as an opportunity to make money and resources cannot give the nation anything.» Interessanterweise erschien im Daily Star erst kürzlich eine Serie, die aufzeigte, wie sehr sich das Vermögen von Awami League Politikern seit den letzten Wahlen vor fünf Jahren vermehrt hat. Es sind Zahlen, die kaum bloss mit legalen Mitteln erreicht worden sind.
Bericht rund um die «Wahlen»: (S)election
Die Schweizer Journalistenschule MAZ und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA bieten jedes Jahr einigen jungen Journalisten und Fotografen die Chance, für ein paar Monate auf Redaktionen in Ländern des Südens zu arbeiten. Im Rahmen dieses Projekts habe ich vom 19. September 2013 bis am 17. Januar 2014 für die Zeitung «The Daily Star» in Dhaka, Bangladesch, fotografiert. Was ich dabei erlebt habe, findet Ihr in diesem Blog unter der Rubrik Bangladesch. Meine Beiträge sowie jene von meinen Kollegen in anderen Ländern könnt Ihr auch hier verfolgen.
< Marsch für die Demokratie(S)election >
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