Eid Mubarak! Diesen Gruss hörte ich letzten Monat oft. Er ist mit unserem «fröhliche Weihnachten» gleichzusetzen und bezieht sich auf das muslimische Opferfest Eid al-Adha.
Weissgekleidete Männer machten Mitte Oktober mit langen Messern die Runden durch die Quartiere. Sie gehen von Tür zu Tür und schlachten Kühe und Ziegen. Der Brauch geht auf eine Geschichte aus dem Koran zurück (eine ähnliche Erzählung existiert auch in der Bibel). Darin wird der Prophet Ibrahim (Abraham) von Allah (Gott) aufgefordert, als Zeichen seiner Hingabe zu ihm sein Wertvollstes zu opfern. Ibrahim ist daraufhin bereit seinen Sohn zu opfern, welcher aus Liebe zu Allah seinem eigenen Tod ebenfalls zustimmt. Ihre Bereitschaft dieses Opfer darzubringen genügt Allah und er bewahrt Ibrahim’s Sohn vor dem Tod. Stattdessen wird ein Tier geopfert.
Und so opfern bis heute an Eid al-Adha alle Familien, die es sich leisten können, ein Tier (hier in Dhaka meist eine Kuh oder eine Ziege). Die Kuh wird von mehreren Leuten am Boden festgehalten während jemand die Haut an ihrem Hals strafft. Mit dem langen Messer wird dem Tier schliesslich die Halsschlagader durchschnitten. Das Blut spritzt und die Glieder zucken. Doch was brutal tönt und aussieht, ist ein schneller Tod. Das Tier wird noch an Ort und Stelle gehäutet, ausgenommen, in kleine Stücke geschnitten und aufgeteilt. Ein Drittel behält die Familie für sich. Ein Drittel verschenkt sie an Verwandte und Nachbarn und ein Drittel geht an die Armen, die sich keine eigenes Opfertier kaufen können.
Nicht mit einem Messer aber mit der Kamera bewaffnet, ziehe ich an Eid durch die Gassen meines Quartiers. Die Opferungen finden auf offener Strasse oder in den Innenhöfen der Häuser statt (bei meinem Freund Helal wurde die Kuh die Treppe rauf bis auf die Dachterrasse im vierten Stock geführt, wo sie schliesslich geschlachtet wurde). Die Strassen sind schon bald von Blutlachen und Kuhscheisse überzogen. Der Geruch davon hängt noch Tage später über der Stadt. Das Opferfest hat aber auch schöne Seiten. Alle ziehen sich neue Kleider an und die Frauen bemalen ihre Hände und Arme mit kunstvollen Henna-Tattoos, sogenannten Mehndis. Alt und Jung kommt nach draussen, um dem Treiben zuzuschauen. Niemand scheint sich zu ekeln. Hier weiss jedes Kind, dass für ein Stück Fleisch auf dem Teller, ein Tier getötet werden muss. Sie kennen den ganzen Prozess und sehen nicht bloss das von Fett und Knochen befreite und abgepackte Filet im Migrosregal.
Ich werde von mehreren Familien in ihre Häuser eingeladen. Normalerweise esse ich kaum Fleisch, aber in diesen Tagen bekomme ich Rind zum Frühstück, Mittag- und Abendessen vorgesetzt. Die Leute können nicht verstehen, dass ich nach dem dritten Festmahl am gleichen Tag keinen weiteren Bissen mehr herunterkriege. Und so kämpfe ich mich weiter tapfer durch die verschiedenen Teile eines Rindes, verschiedene Arten von Reis, Gemüse, Süssspeisen und Getränke. Meine kulinarische Entdeckung des Eid Festivals: Shemai. Dünne Fadennudeln, die in einer Mischung aus Zucker und Milch gekocht und serviert werden.
Hier ein paar Impressionen von Eid al-Adha in Dhaka (Achtung: Alle Hindus, Vegetarier, Tierschützer, Islamgegner und Leute, die kein Blut sehen können, sollten sich die folgenden Bilder besser nicht anschauen):
Die Schweizer Journalistenschule MAZ und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA bieten jedes Jahr einigen jungen Journalisten und Fotografen die Chance, für ein paar Monate auf Redaktionen in Ländern des Südens zu arbeiten. Im Rahmen dieses Projekts habe ich vom 19. September 2013 bis am 17. Januar 2014 für die Zeitung «The Daily Star» in Dhaka, Bangladesch, fotografiert. Was ich dabei erlebt habe, findet Ihr in diesem Blog unter der Rubrik Bangladesch. Meine Beiträge sowie jene von meinen Kollegen in anderen Ländern könnt Ihr auch hier verfolgen.
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