Die Immigration nach Bangladesch verläuft problemlos. Am Zoll, wo nochmals alle Gepäckstücke durchleuchtet werden, bekomme ich zum ersten Mal das Privileg des Ausländers zu spüren. Als ich mich artig in der Schlange anstelle, winkt mich ein Angestellter sofort zur Seite und lässt mich als einzige ohne Gepäckkontrolle passieren.
Elisabeth, meine Gastmutter, hat mir einen Transfer vom Flughafen organisiert. Der Fahrer findet mich ohne Probleme. In der gesamten Ankunftshalle hat es neben mir nur eine weitere weisse Person und die ist männlich.
Ich mag Bangladesch sofort. Der Geruch, der Lärm, das Chaos und die Farben erinnern mich stark an Indien. Einzig die Kühe fehlen im Strassenbild. In den ersten beiden Tagen lerne ich die nähere Umgebung von meinem neuen Zuhause in Moghbazar kennen. Am Sonntag gehe ich schliesslich zum ersten Mal auf die Redaktion. Pankaj, ein junger Daily Star Journalist, holt mich mit seinem Motorrad ab. Ich geniesse die wilde Fahrt durch Dhaka. Tausend Eindrücke prasseln gleichzeitig auf mich ein. Diese Lebendigkeit und Intensität ist es, was ich in der Schweiz jeweils so sehr vermisse.
Im Büro lerne ich Reaz, den Assignement Editor, Sharier Khan, den City Editor, und schliesslich Mr. Jamaluddin, den Leiter Administration, kennen. Mr. Jamaluddin weist einen anderen Angestellten an, mir eine lokale SIM-Card fürs Telefon zu besorgen. Was eigentlich in fünf Minuten erledigt werden könnte, dauert wegen diversen Problemen rund zwei Stunden und «beschäftigt» zeitweise bis zu sieben Leute (zwei drücken auf dem Gerät herum, einer wartet bei seinem Telefon, ob der Testanruf reinkommt und vier Leute schauen zu). Irgendwann ist es geschafft und ich bin für den Notfall ausgerüstet.
Und nun lerne ich endlich meine Kollegen aus dem Fotografen-Team kennen. Sie sind in einem kleinen Raum, der durch Glaswände vom Rest des Grossraumbüros abgetrennt ist, untergebracht. Das reine Männerteam reagiert überrascht. Scheinbar hat sie niemand informiert, dass ich die nächsten drei Monate ein Praktikum bei ihnen absolvieren werde. Nichtsdestotrotz heissen sie mich herzlich willkommen. Palash und Suman, die beiden jüngsten Fotografen, sind mir gegenüber anfangs eher zurückhaltend. Etwas, das man von den älteren Kollegen und insbesondere von Enam, dem Chef der Truppe, nicht behaupten kann. Bereits mit der zweiten Frage will er wissen, ob ich verheiratet sei oder einen Freund habe.
Am Abend kann ich auf Anis’ Motorrad mitfahren. Anis ist einer der Fotografen und wohnt ganz in meiner Nähe. Er lädt mich spontan in sein Haus ein, wo ich seine Frau, seine Tochter, seine Schwester und deren Baby antreffe. Seine Frau Vrishti (bedeutet Regen in Bangla) stellt er mir mit folgenden Worten vor: «She is my only wife». Ich antworte:«Das hoffe ich doch». Beide lachen und Vrishti fragt Anis auf Bangla, ob er denn gerne noch eine andere Frau hätte. Seine Antwort: Ein verschmitztes Lachen und Schweigen.
In Bangladesch ist Polygamie legal aber kaum mehr verbreitet. Voraussetzung ist, dass die früheren Frauen ihr Einverständnis für eine weitere Frau geben müssen. In Rajshahi im Nordwesten des Landes wurde gar eine Polygamie-Steuer eingeführt. Damit muss der Mann für jede weitere Frau eine Gebühr zahlen. Amran, ein anderer Fotograf, spricht sich nicht nur aus finanziellen Gründen für die Ein-Frau-Ehe aus: «Wenn ich nach Hause komme, erwartet mich meine Frau mit einem feinen Nachtessen». Hat Mann hingegen mehrere Frauen, würden sich diese gegenseitig Gesellschaft leisten. Der Mann würde kaum vermisst und daher auch weniger verwöhnt, so Amran’s Erklärung. Ich liebe schon jetzt seinen Humor und seine Logik.
Die Schweizer Journalistenschule MAZ und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA bieten jedes Jahr einigen jungen Journalisten und Fotografen die Chance, für ein paar Monate auf Redaktionen in Ländern des Südens zu arbeiten. Im Rahmen dieses Projekts habe ich vom 19. September 2013 bis am 17. Januar 2014 für die Zeitung «The Daily Star» in Dhaka, Bangladesch, fotografiert. Was ich dabei erlebt habe, findet Ihr in diesem Blog unter der Rubrik Bangladesch. Meine Beiträge sowie jene von meinen Kollegen in anderen Ländern könnt Ihr auch hier verfolgen.
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